Hallo und Assalamu Alaykum,
ich wünsche all meinen Leserinnen und Lesern einen gesegneten Freitag.
Barmherzigkeit verstehen und geben
Was bedeutet eigentlich Barmherzigkeit? Wir hören und lesen es viel und fast überall, aber viele wissen mit den Begriffen „Barmherzigkeit“, „barmherzig sein“, „Nachsicht üben“ oder „nachsichtig sein“ nicht viel anzufangen. Manche setzen diese Begriffe in Relation mit Religiosität, während andere sich gar nichts oder nur wenig darunter vorstellen und mit auf den ersten Blick verständlicheren Begriffen wie Freundlichkeit, Milde und Mitgefühl etwas anfangen können.
Barmherzigkeit ist eine Eigenschaft, die sich jeder Mensch aneignen kann. Es bedeute, dass eine solche Person ihr Herz fremden Menschen öffnet. Die Barmherzigkeit gilt als eine der Haupttugenden und wichtigsten Pflichten eines jeden Gläubigen, insbesondere in den monotheistischen Religionen Islam, Christentum und Judentum, aber auch in den Religionen des Buddhismus und Hinduismus.
Die am Häufigsten mit der Barmherzigkeit in Zusammenhang gebrachte Formel ist „bismillahi ar-rahmani ar-raheem“, was soviel wie „Im Namen Gottes, des Allerbarmers und Barmherzigen“ heißt. Dieser Ausspruch wird von vielen Musliminnen und Muslimen vor alltäglichen Dingen ausgesprochen, sei es beim Beginn einer Mahlzeit, einer Tätigkeit, eines Projektes, einer Arbeit oder anderen Sachen. Im Islam ist man, meiner Meinung nach, zur Barmherzigkeit verpflichtet, und wer diese nicht kennt, oder kennen gelernt hat, wird herausgefordert, selbst barmherzig zu sein. Es ist allerdings eine menschliche Eigenschaft, denn wer möchte, dass es einem selbst gut geht, der macht etwas, dass es anderen gut geht. Nicht umsonst heißt es in einer Überlieferung:
„Den Barmherzigen ist Allah barmherzig. Seid barmherzig gegenüber denen, die auf Erden sind, dann sind auch die im Himmel (Gott und die Engel) euch gegenüber barmherzig.“ (Abu Dawud)
Barmherzigkeit bedeutet für den Menschen, dass er oder sie für jedes Lebewesen, egal ob Mensch oder Tier, das Gute möchte und ihm Hilfe leistet, sollte ihm etwas oder jemand zu Schaden kommen.
„Meine Barmherzigkeit umfasst alle Dinge“ steht im Qur’an in Sure 7:156 geschrieben. Gott hat den Menschen neben unzähligen Gaben, Talenten, und Stärken viele andere Geschenke geschickt, um Seine Barmherzigkeit zu offenbaren. So ist es nicht überraschend, dass Er Propheten in Seinem Namen geschickt hat:
„Wir haben dich lediglich (als Beweis Unserer) Barmherzigkeit für alle Welten entsandt.“ (Qur’an 21:107)
Als Muslim(in) dem Vorbild des Propheten Muhammad saw nachzueifern, bedeutet nicht, dass man sich auf Äußerlichkeiten beschränken darf, auch wenn viele das tun. In der religiösen Lehre konzentriert man sich auf den Kern der Aussage, nicht das Gerüst drum herum. Das bedeutet, wenn man nach dem Vorbild des Propheten eifern möchte und es einem als eine Pflicht erscheint, wäre es lobenswert, wenn man ihm im Bezeugen der Liebe gegenüber Gott, aber auch in seiner Barmherzigkeit nachahmt.
Barmherzige Menschen tragen einen beträchtlichen Anteil an göttlicher Liebe in sich, welche sie nicht alleine für sich beanspruchen, sondern mit anderen Menschen teilen. Unbarmherzige Menschen hingegen haben diesen Anteil nicht in Anspruch genommen, müssen sich jedoch selbst verständlich machen, dass wenn sie keine Barmherzigkeit geben, auch keine empfangen können. In einer weiteren Überlieferung heißt es:
„Wer nicht barmherzig ist, der findet auch kein Erbarmen.“ (Muslim)
Es wird viel gebetet, und in unseren rituellen Gebeten gehen wir unseren religiösen Pflichten nach, aber in unseren Bittgebeten wenden wir uns direkt an Gott und bitten Ihn entweder um Verzeihung für etwas, was wir getan haben, oder äußern Wünsche für andere, die es nicht so gut haben wie wir selbst. Letzteres zum Beispiel ist ein Akt der Barmherzigkeit. Wir wünschen uns, dass Gott uns unsere Sünden verzeiht, haben aber große Schwierigkeiten anderen Menschen zu verzeihen. Ist es nicht ein Akt der Barmherzigkeit Milde walten zu lassen und ihnen dasselbe zu wünschen, was wir uns selbst wünschen? Wir haben zu wenig Liebe und Barmherzigkeit in unseren Herzen und allgemein in unserer Gesellschaft. Es wird Zeit, dass sich das wieder ändert.
Die erste Sure des Qur’an – die al-Fatiha (Die Eröffnung) beginnt mit der Basmala „Im Namen Gottes, des Allerbarmers, des Barmherzigen“. Musliminnen und Muslime rezitieren diese Sure mehrfach jeden Tag während des rituellen Gebetes, somit sollten sie sich der Barmherzigkeit Gottes bewusst sein, aber diese in ihr eigenen Leben versuchen zu integrieren und anzuwenden. Barmherzig zu sein, gibt dem Menschen die Chance nach Gerechtigkeit, Gegenseitigkeit und Solidarität zu streben. Die Barmherzigkeit ist somit kein geflügeltes Wort, welches lose von den Lippen kommen, sondern mit eigener Kraft und Mühe in die Tat umgesetzt werden sollte.
Denn: Nur wer barmherzig ist, wird von anderen Barmherzigkeit erfahren.
In diesem Sinne wünsche ich allen einen wunderbaren, von Gott gesegneten Freitag und ein schönes Wochenende.
LG und Salam
Hannibal-Nur 🙂